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Songs & Stories

Goin' Down Jordan

Eine ausführliche, nicht nur theologische Recherche von Jan Bühner

In der westlichen Popkultur wurde das Lied "Goin' down Jordan" in den 1960er Jahren durch Harry Belafonte und in den 1970er Jahren durch die Les Humphries Singers bekannt.

Den Songtext zu dieser Version finden Sie nebenstehend als PDF-Datei zum Download .

Die älteste Fassung

Die älteste Fassung stammt von Theophilus Woods und wurde 1956 veröffentlicht auf einer LP mit dem Titel "Small Island Pride". Damit war die Karibik-Insel Trinidad gemeint. Das Lied war ursprünglich eingesetzt im Rahmen der Karnevals-Festivitäten. Sie waren und sind bekannt für ihre aufwändigen Inszenierungen, bei denen, zumal in Zeiten vor dem Aufkommen der Massenmedien, wichtige Informationen unter das Publikum gebracht wurden.

Link:
Goin' Down Jordan, Small Island Pride

Die Fassung von Theophilus Woods ist durch Stilelemente gekennzeichnet, die die nachfolgenden Fassungen nicht haben. Der Kalypso-Stil ist konsequent auf Vorsänger und Chor verteilt. Die Art des Gesangs klingt fast noch afrikanisch. Die Bevölkerung von Trinidad besteht zum großen Teil aus Sklaven, die aus Westafrika ‚importiert‘ wurden. Ihren Stil brachten sie mit und behielten ihn durch die Jahrhunderte. Das in den späteren Fassungen betonte Moment einer sekundären Motivation des Adepten aus Gründen sozialer Not ist hier kaum zu finden. Die Bewirtung ist Teil der Initiation des Bewerbers. Die religiösen Motive sind erstaunlich klar zum Ausdruck gebracht.

Der Kehrvers "Goin' down Jordan, let's go the heavenly road" enthält das Zentralmotiv des Baptismus seit antiken Zeiten.

Der Jordan

Der Jordan heißt in seiner Wortbedeutung: Der Herabsteigende. Der Jordan entspringt in den Bergen des Nordens und ergießt sein Wasser in das Salzmeer. Seit ca. 350 v. Chr. (Archimedes) gehörte die Tatsache des Wasserkreislaufs zum Kenntnisstand der Antike. Der Jordan (wie eigentlich jeder Fluss) kam mit dem Regen aus dem Himmel und verschwand wieder per Verdunstung in ihm. Der Jordan bildete nach allgemeiner Anschauung eine permanente reinigende Kraft, die aus dem Himmel kam und zu ihm zurückführte. Im Himmel liegt nach jüdischer Anschauung die Quelle des Lebens, das nicht von Sünde befleckt ist. Dort liegt auch der Zugang zu einer sündlosen, adam-ähnlichen, engelhaften Existenz.

Die Taufe

Die Taufe erschließt diesen himmlisch-irdischen Reinigungsakt. Sie vermittelt himmlische Kräfte und bereitet auf die Existenz im Himmel vor. Sie wäscht die Sünde ab, die den Menschen in todverfallener Existenz festhält. Der Baptismus hat immer den scharfen Gegensatz von Abstieg in den Jordan und den Aufstieg in den Himmel miteinander verbunden. Es werden religiöse Symbole und Akte genannt, die mit der Taufe verbunden sind: der dreiarmige Leuchter in der Hand des Adepten, der es wie eine "Waffe des Lichts" nach Röm 13,12 in der Hand trägt. Das erinnert auch an die Gemeinden der Johannes-Apokalypse 1,12, die mit Leuchtern verglichen werden und Leuchter haben. Mit dieser symbolischen Ausrüstung ist himmlisches Licht bei ihm und er hat eine Waffe gegen die Angriffe der Finsternis, die ihn nicht nach oben lassen, sondern unten festhalten will. Auch die Kenntnis bestimmter Gebete hilft beim Aufstieg Richtung Himmel.

"moan, children, moan"

Das "moan, children, moan" hat den Texterfassern immer Mühe gemacht. Angeblich ging es um ein "mourne", also Trauern. Das "moan = seufzen" entstammt aber der Bibel. In 2. Kor 5,1-5 schildert der Apostel die Geschehnisse im Tod. Wenn unsere irdische Hütte abgerissen wird (= wenn wir sterben), haben wir ein himmlisches Haus, von Gott im Himmel und nicht mit Händen gemacht. Der Apostel zeigt, dass hier antik-jüdische Sakralarchitektur aufgenommen wird. Der Tempel als Schnittpunkt zwischen Himmel und Erde wird in seiner irdischen Form durch einen aus dem Himmel kommenden ersetzt werden. Da Gott durch die Gabe des "Geistes aus dem Himmel" den Getauften in seiner irdischen Existenz zum Tempel genommen hat, steht auch der menschliche Leib in der Perspektive einer Verwandlung in einen neuen himmlischen Leib. Für den Baptismus passiert das im Tod, in dem der Getaufte in himmlische Verklärung übergeht. Und Paulus sagt nun: wir möchten am liebsten, dass wir gar nicht erst nach dem Ablegen der irdischen Hütte nackt bleiben, sondern gleich überkleidet werden mit dem neuen aus dem Himmel. Und weil wir uns danach sehen, seufzen wir. Nach Röm 8,22 seufzt die ganze Schöpfung nach der neuen himmlischen Herrlichkeit. Nach Röm 8,26 nimmt der Geist unsere Sehnsucht auf und bringt sie mit unaussprechlichen Seufzern vor Gott.

Ein Kennzeichen dieses Liedes ist dann die Umsetzung dieses Seufzens in ein rituell-liturgisches Einstimmen der Gemeinde während des Gottesdienstes. Der Typus von Gottesdienst, der hier sichtbar wird, ist nicht der einer Belehrung, sondern eine Art virtueller Gemeindereise in die himmlische Welt unter rituell-liturgischer Anleitung. Der ekstatische Abschluss belegt, dass diese Gemeindereise‚ runter zum Jordan und hinauf in den Himmel ihr Ziel erreicht hat.

Wo kommt das her?

Durch Bezug auf neutestamentlichen Bibeltext handelt es sich eindeutig um christlichen Baptismus, obgleich Christus im Text nicht vorkommt. Wenn man annimmt, dass Baptismus eine der sektiererischen Glaubensformen der Kolonialherren war, ist der hier gespiegelte Baptismus doch so "wild", dass er davon nicht wirklich gedeckt ist.

Weitere interessante Fragen tauchen auf. Der europäische Baptismus geht auf die Reformationszeit zurück. Dahinter steht aber ein auf die neutestamentliche Zeit zurückgehender Baptismus, der bis heute durch 2000 Jahre ununterbrochen von den Mandäern gelebt wird. Sie haben die gleichen Grundsymbole und würden ein Lied wie "Goin' down Jordan" sofort als ihr eigenes verstehen, abgesehen von der Tatsache, dass sie nicht missionieren. Mit den Reformations-Baptisten teilten sie immer wieder das gleiche Verfolgungsschicksal. Vertreter der jeweiligen Mehrheitsreligion ‚tauften sie zu Ende, d.h. sie wurden ertränkt. Über den Mandäismus informiert das im Internet frei zugängliche Werk von Jorunn Jacobsen Buckley, The Mandeans. Ancient Texts and modern people, Oxford University Press, 2002.

Merke...

...Diese Lieder aus der "Gospel"-Tradition sind nicht nur Spass, sondern verbinden mit dem Leben anderer Menschen, die um ihre Würde und ihre Anerkennung, wenigstens aus dem Himmel, kämpfen mussten.

Dr. Jan Bühner, Vors. Shanty-Chor Cuxhaven